Was ist Geschlecht?
Das Geschlecht eines Menschen ist sehr viel komplexer, als es unsere körperlichen Geschlechtsmerkmale vermuten lassen. Es setzt sich aus verschiedenen Komponenten zusammen. Es besteht aus psychischen, körperlichen und sozialen Faktoren. Im Englischen gibt es Begriffe, die den Unterschied zwischen dem sozialen/psychologischen Geschlecht (Gender) und dem körperlichen/biologischen Geschlecht (Sex) ausdrücken. Obwohl diese Unterscheidung mehr bietet als der deutsche Geschlechterbegriff, kann auch hier das Spektrum der Geschlechteridentifikationen nicht abgedeckt werden. Es gibt Menschen, die sich mit dem ihnen zugeordneten Geschlecht identifizieren können und es gibt Menschen, die Unstimmigkeiten empfinden und sich in der ihnen zugeordneten Geschlechtsidentität nicht wiederfinden können.
Begriffe
Das System Geschlecht ist in unserer Gesellschaft binär. Das bedeutet, dass oft angenommen wird, dass es nur zwei Geschlechter gibt – Mann und Frau. Diese Annahme nennt man auch Heteronormativität. Es gibt jedoch weit mehr als diese beiden. Die folgenden kurzen Definitionen sollen einen Überblick über gängige Begriffe geben, die häufig im Diskurs über Geschlecht verwendet werden.
Sex ist der englische Ausdruck für das körperliche/biologische Geschlecht. Dieses wird uns bei der Geburt aufgrund einer Kombination aus Genitalien, Chromosomen und Hormonen zugeordnet. Das biologische Geschlecht ist relevant, da anhand dessen Erwartungen an uns gestellt werden. Geschlechterrollen entstehen geknüpft an das biologische Geschlecht.
Der Begriff bezeichnet die soziale Geschlechterrolle bzw. das soziale/psychologische Geschlecht. Dieses basiert auf gesellschaftlichen Rollenerwartungen, sowie der eigenen Selbstwahrnehmung und -darstellung.
Cis-Geschlechtlich oder auch cis-gender bezeichnet alle Menschen, die sich mit dem ihnen bei der Geburt aufgrund ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale zugeschriebenen Geschlecht identifizieren können.
Transgeschlechtlich oder transgender bezeichnet alle Menschen, die sich nicht mit dem ihnen aufgrund ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale zugeschriebenen Geschlecht identifizieren können. Die Geschlechtsidentität weicht vom körperlichen Geschlecht ab. Dieser Begriff schließt nicht-binäre Menschen mit ein. Um dies zu verdeutlichen, wird auch häufig der Ausdruck trans* verwendet.
Veraltet ist hingegen der Begriff „transsexuell“. Dieser wird heute häufig in transfeindlichen Kontexten verwendet. Durch die Verwendung des Begriffs soll der Eindruck erzeugt werden, dass es echte und falsche trans Personen gibt, abhängig von Genitaloperationen. Damit wird den betroffenen Menschen die Definitionsmacht über die eigene Identität abgesprochen. Dabei wird an der Annahme festgehalten, dass das Geschlecht rein aus den äußerlichen körperlichen Geschlechtsmerkmalen besteht.
Nicht-binär bezieht sich auf alle Menschen, die sich nicht (oder nicht vollständig) dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, sondern sich irgendwo auf dem Spektrum zwischen männlich und weiblich befinden oder keiner Kategorie zugehörig sind.
Intergeschlechtlich bezeichnet alle Menschen, denen aufgrund ihrer körperlichen Geschlechtsmerkmale, Hormone oder Chromosomen nicht eindeutig das männliche oder weibliche Geschlecht zugeordnet werden kann. Häufig werden die Genitalien der Betroffenen schon im Säuglingsalter entweder dem männlichen oder weiblichen Geschlecht angeglichen. Sie werden also dem binären System eingeordnet. In Deutschland sind diese Operationen, wenn sie medizinisch nicht notwendig sind, seit 2022 verboten. Die Existenz von intergeschlechtlichen Personen zeigt allerdings auch auf, dass die Unterscheidung in Sex und Gender nicht genügt, um die menschlichen Geschlechter adäquat zu beschreiben.
Genderfluide Menschen empfinden stetige Wechsel in ihrer Geschlechtsidentität. Das eigene Geschlecht kann also an manchen Tagen männlich, weiblich oder auch nicht-binär empfunden werden. Die Wechsel in der Identität sind von Person zu Person unterschiedlich.
Binarität ist das System, das strikt in einer Zweigeschlechtlichkeit zwischen Männern und Frauen denkt.
Alle, die sich in diesem System nicht wiederfinden können, haben oft das Gefühl von fehlender Zugehörigkeit. Das kann bei nicht-binären Menschen zu einem unangenehmen Anpassungsdruck führen.
Es gibt viele Menschen, die sich in diesem System wohl fühlen und Menschen, denen es Sicherheit gibt. Aber nur, weil sich viele an dieser Geschlechterordnung nicht stören, heißt es nicht, dass sich alle in dieser wohl fühlen. Für viele Menschen bedeutet das fehlende Zugehörigkeitsgefühl im binären System einen ständigen Leidensdruck.
Situationen, die für viele cis-Personen kein Problem sind, können für nicht-binäre Menschen schmerzhaft sein, weil ihr Leben in eine Binarität eingeordnet wird, der sie sich nicht zugehörig fühlen. Beispiele hierfür können der Gang zum Amt, öffentliche Toiletten oder auch Umkleidekabinen sein.
Der Begriff Queer wird in der Praxis häufig als Selbstbezeichnung verwendet, der das Spektrum der geschlechtlichen und sexuellen Vielfalt umfassen soll. Häufig verweist er auch auf die Infragestellung von sozialen Praktiken und Normen in Bezug auf Geschlecht und Sexualität und auf die gesellschaftliche Position, mit diesen nicht einverstanden zu sein. Eine Person kann sich beispielsweise als queer identifizieren, aber auch als transgender. Manchmal wird auch nur der Begriff queer verwendet, wenn Menschen sich selbst definieren, da sie mit anderen Begriffen keinen Bezug zur eigenen Identität finden können.
Intersektionalität beschreibt in der Geschlechterforschung die Idee, dass eine Person von mehreren Diskriminierungsformen betroffen ist. So erfährt eine schwarze, lesbische, nicht-binäre Person nicht nur als schwarze Person Diskriminierung, sondern auch als Lesbe sowie als nicht-binäre Person. Die Diskriminierungserfahrungen lassen sich dabei nicht einfach nur addieren, es entstehen vielmehr spezifischere Formen der Unterdrückung. Kimberlé Crenshaw hat dafür den Begriff intersectionality geprägt. Hier wird das Bild einer Verkehrskreuzung verwendet. Die Mehrfachdiskriminierungen überschneiden sich – wie der Verkehr an einer Kreuzung. Anders lässt es sich aber auch wie hier links darstellen.
Sprache ist Macht?!
Was unsere Sprache ausdrückt – und was nicht
Unsere Sprache drückt viel aus. Wenn wir uns davon verabschieden, eine geschlechtssensible Sprache als Auflage der “politischen Korrektheit” zu verstehen, können wir mit unserer Sprache Respekt vor der Identität anderer Menschen ausdrücken. Wir können sowohl respektvoll mit den Wünschen der Menschen umgehen, als auch gegenüber der Einzigartigkeit von Identität und Geschlechtsidentität anderer Menschen. Wie wäre es, in einer Gesellschaft zu leben, in der Menschen, die andere Pronomen und Begriffe verwenden, respektiert werden und ihre Bedürfnisse nicht als absurd dargestellt würden?
Die Bereitschaft, die eigene Sprache anzupassen, sagt viel über uns aus. Sind wir bereit, uns auf ein Thema einzulassen? Ist das Thema der Genderdiversität ein lästiges Thema, bei dem wir hoffen, dass es schnell wieder verschwindet und übersehen dabei die von Ausgrenzung betroffenen Menschen? Oder ist es für uns möglich, offen auf Menschen zuzugehen, ihnen zuzuhören und ihre Bedürfnisse zu verstehen?
Für manche trans* und nicht-binäre Menschen ist es sehr schmerzhaft, wenn andere die falschen Pronomen oder Bezeichnungen verwenden (Misgendering). Um zu vermeiden, dass sich Menschen verletzt fühlen, bietet es sich daher an, einen Blick auf deren Bedürfnisse zu richten, um allen respektvoll zu begegnen. Das Thema der politischen Korrektheit sollte hier keine Rolle spielen, da es um das Achten der Identität anderer geht.
Viele empfinden es als sehr positiv, wenn andere sich Mühe geben, die eigene Sprache sensibel zu gestalten. Dabei ist es auch in Ordnung, Fehler zu machen, da deren Verwendung am Anfang schwer sein kann. Indem du Fragen stellst, kannst du deine Offenheit signalisieren und damit zum Wohlergehen beitragen:
Mit welchen Pronomen möchtest du angesprochen werden?
Welche Begriffe passen für dich am besten?
Zwar wird häufig argumentiert, dass die Veränderung von Sprache mühsam ist, dem sollte aber mit dem Leid der betroffenen Menschen entgegnet werden. Die Anpassung der Sprache signalisiert also, dass wir die Bedeutung und Selbstbestimmung der Geschlechtsidentität anderer anerkennen.
Auch das Argument, dass der Gender Gap, also die Lücke die beim Sprechen entsteht, wenn wir bspw. das Wort Lehrer*in aussprechen, die deutsche Sprache kaputt mache und den Sprachfluss hemme, ist meist vorgeschoben: der Gap ist bereits in der deutschen Sprache vorhanden. Ein Beispiel hierfür ist das Wort Spiegelei, welches wir Spiegel:ei aussprechen.

Tipps für
Gendersensible Sprache
Gendersensible Sprache sorgt dafür, dass sich alle Menschen angesprochen und wertgeschätzt fühlen. Mit ein paar einfachen Tipps lässt sie sich leicht in den Alltag integrieren – ohne kompliziert oder umständlich zu sein. Hier zeigen wir, wie das geht!
Wichtigkeit einer gendersensiblen Arbeit
Wenn du dich mit Themen wie sozialer Gerechtigkeit oder den SDGs auseinandersetzt, sollte das Thema der Geschlechtergerechtigkeit dort ebenfalls genügend Raum finden.
Gerade für jüngere Menschen, die sich politisch engagieren möchten, wird es zunehmend relevanter, wie mit Geschlechter- und queeren Themen umgegangen wird. Für junge Menschen ist häufig Offenheit und Gleichberechtigung ein wichtiges Thema. Deshalb sollten auch die Bedürfnisse von trans* und nicht-binären Menschen berücksichtigt werden. Gerade in Deutschland tut sich momentan viel in diesem Bereich, so wurde zum Beispiel im November 2024 das Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) verabschiedet, das für trans*, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen die Änderung des amtlichen Geschlechtseintrags vereinfachen soll.
Gendersensible Arbeit ist auch ein Beitrag zur Gleichstellung aller Geschlechter. Trans* und nicht binäre Menschen werden in der Öffentlichkeit oft nicht wahrgenommen oder stigmatisiert. Durch gendersensible Sprache wird mehr Sichtbarkeit geschaffen.
Letztendlich kommt der Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit allen zugute, da es die Zuweisung in Geschlechterrollen vermindert und unterschiedliche Lebensbedingungen berücksichtigt.
Wie kann ich Räume und Veranstaltungen inklusiver gestalten?
Schaffe eine Toilette, die für alle Geschlechter zugänglich ist.
Alternativ kannst du auch einen Toilettenraum für alle Geschlechter und einen für FLINTA* Personen (Frauen, inter, nicht-binäre, trans und agender Personen) schaffen. Ziel ist es, die Binarität abzubauen, damit sich niemand zuordnen muss und gleichzeitig die Verletzlichkeit bestimmter Personen zu respektieren und diese zu schützen.
Wenn Hygieneartikel bereitgestellt werden, verteile sie in beiden Toilettenräumen. Mülleimer sollten auch in allen Toiletten bereitstehen.
Wenn Veranstaltungen mit Übernachtungen anstehen, teile die Schlafräume nicht nach Männern und Frauen auf. Stattdessen kannst du dich an den Bedürfnissen der Teilnehmenden orientieren. Zimmer können auch in FLINTA* und offene Zimmer eingeteilt werden.
Wenn du für eine Methode Teilnehmende in Gruppen einteilen möchtest, versuche dies nicht anhand der Genderidentität zu machen, sondern suche dir andere Eigenschaften, bspw. die Farbe des Oberteils oder den Anfangsbuchstaben des Vornamens.
Und das Wichtigste zum Schluss: Sei offen für Feedback und hole es dir ein.

Inklusive Gestaltung von toiletten – ein beispiel
Das Bild links ist ein schönes Beispiel, wie Toilettenräume recht einfach und ohne viel Aufwand inklusiv gestaltet werden können.
Kontakt
Team Klaas Janowsky Klaas Janowsky (er/ihn)Projektleitung Queere Eine Welt
Tel.:+49 251 28 46 69 207
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