Das Eine Welt Netz NRW ist seit 1991 das Landesnetzwerk des Eine Welt Engagements für globale Gerechtigkeit. Unsere Büros sind in Münster und Düsseldorf.
Unsere Arbeitsschwerpunkte sind:
Das Eine Welt Netz NRW organisiert außerdem landesweite Aktionen und Konferenzen mit internationalen Gästen. Auch Kontakte zu Akteuren aus den Bereichen Globales Lernen, Jugendbegegnungsprogrammen, Fairer Handel, internationale Kampagnen usw. werden von uns vermittelt.
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Foto: Pavel Nekoranec (unsplash.com)
Die Neue Synagoge in Berlin als Symbol jüdischen Lebens in Deutschland.
Von Georg Krämer, Welthaus Bielefeld (Der Autor gibt hier seine persönliche Meinung wieder)
David Baddiel ist ein britischer Comedian und Essayist, der in seinem Hashtag „jews don’t count“ eine Frage aufwirft, welche für alle, die sich den Antirassismus auf die Fahnen geschrieben haben, von Interesse sein sollte:
Wie kommt es eigentlich, dass für so viele Menschen, die sich gegen Rassismus engagieren, wie selbstverständlich ein Engagement gegen Antisemitismus und Antizionismus nicht in Frage kommt?
Zunächst einmal ist das Ausmaß bemerkenswert bis erschreckend, in dem Israel und damit auch den Jüdinnen und Juden Solidarität und Empathie verweigert wird gerade in Kreisen, die sich antirassistisch gerieren.
So schrieb die Plattform „Palästina spricht“ – nach eigenem Bekunden eine „Koalition für palästinensische Rechte und gegen jede Form von Rassismus“ – am 7. Oktober 2023, als die Hamas über 1.400 jüdische Menschen ermordet hatte, in einem Post: „Wir sind überwältigt. Heute ist ein revolutionärer Tag, auf den wir stolz sein können“. Zeitgleich rief Greta Thunberg zu einem globalen Streik gegen den „Genozid in Gaza“ auf, ohne die Morde der Hamas auch nur einer Erwähnung wert zu finden. Die Gleichzeitigkeit von explizitem Antirassismus und Antisemitismus hatte auch schon 2022 auf der „Documenta fifteen“ die Gruppe Ruangrupa eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Und die Black-lives-matter-Bewegung in den USA ist durch Angriffe auf jüdische Geschäfte, durch Graffiti an Synagogen und durch Hakenkreuze zumindest an einigen Orten aufgefallen. Für einige Redner war der Rassismus der Polizei die Schuld der Juden.
Ein wesentlicher Grund für diese Gleichzeitigkeit von Antirassismus und Antisemitismus ist die Zuschreibung, welche die antirassistischen Akteure gegenüber dem Staat Israel vornehmen. Israel gehört für sie zu den Weißen, mithin zu jenem Teil der Menschheit, der für Kolonialismus, Imperialismus, Unterdrückung und Rassismus in der Welt verantwortlich ist. Dieses Axiom vertreten so gut wie alle „Antirassisten“. Dass viele Jüdinnen und Juden nicht aus Europa stammen und daher die Zuschreibung des Weißseins bei ihnen eigentlich nicht funktionieren kann, wird dabei gerne übersehen. Israel ist im Ductus der Antirassisten „weiß“, Teil der weltweiten „white Supremacy“, Besitzer aller Privilegien, die anderen verweigert werden. Solche Bewertungen verlangen ein hohes Maß an geschichtlicher Ignoranz oder besser einer Weigerung, historische Fakten anzusehen. „Im Verlauf der Geschichte wurden wir Juden größtenteils als ethnische Minderheit ausgegrenzt, verfolgt und ausgerottet. Und das ist verdammt wenig weiß“, schreibt Querido van Frank, ein holländischer Kulturschaffender.
Nun werden einige antirassistisch-Engagierte einwenden, „Weißsein“ sei eben nicht an die Hautfarbe oder andere biologische Merkmale gebunden, sondern ein gesellschaftliches Konstrukt, das etwas aussagt über Macht und Unterdrückung. In dieser Lesart ist Israel eben „weiß“, ein „siedlerkolonialistischer Staat“, die letzte Kolonie im Nahen Osten, die noch befreit werden muss. Der Staat Israel sei ein „rassistisches Unterfangen“, behauptete Amnesty International 2022 in „Israel’s Apartheid against Palestinians“. Dass dieser „Fremdkörper“ im östlichen Mittelmeerraum auf eine Jahrtausende alte Geschichte zurückblicken kann, wird dabei gerne verschwiegen. Indigenität – sonst ein wichtiger Bezugspunkt für antirassistische Arbeit – wird Israel schlicht abgesprochen.
Gleichzeitig wird Israel als „Apartheidstaat“ delegitimiert. Die ungleichen Lebensverhältnisse und die Verletzung elementarer Rechte der palästinensischen Bevölkerung sind in diesem Zusammenhang unbestreitbar; aber es ist eben auch bemerkenswert, dass das Etikett „Apartheidstaat“ ausschließlich für Israel verwendet wird. Die Vertreibung von 900.000 Jüdinnen und Juden aus den Nachbarländern Israels seit 1948 oder auch die erzwungene Flucht von einer halben Millionen Rohinyas aus Myanmar (2027 ff.) sind kein Anlass, von Apartheid zu sprechen. Dieses Prädikat bleibt Israel vorbehalten.
Schließlich wäre zu fragen, ob die Theoriebasis der weltweiten Antirassismus-Bewegung nicht Antizionismus und Antisemitismus zumindest begünstigen. Denn der Antirassismus beruft sich heute weitgehend auf Konzepte wie die „postcolonial studies“ und „Critical Whiteness Studies“. Kennzeichnend für diese postmodernen Theorien ist die Fokussierung auf ethnische Zugehörigkeit, auf Hautfarbe und Kultur als entscheidende und auch unüberbrückbare Differenz. Identitäten können nur für sich sprechen. Universalistische Werte als Maßstab zur Beurteilung existieren hier nicht. Menschenrechte gelten als ein hegemoniales Projekt des Westens. Wenn aber Rasse und Kultur das Wesentliche unserer Existenz ausmachen, sind binäre Zuschreibungen kaum zu vermeiden. Für den Nahost-Konflikt heißt das: Hier die Weißen (= Israel) als Träger der Macht, schon aufgrund ihres Weißseins am Rassismus beteiligt. Dort die Palästinenser, aus rassistischen Gründen unterdrückt. Wenn es nur noch Unterdrücker oder Unterdrückte gibt, positionieren sich die Antirassistischen selbstredend für die Palästinenser. Eine „totalitäre binäre Logik“ nennt dies E. Berkovits, ein jüdischer Religionsphilosoph.
Es ist zu vermuten, dass es ohne Verständigung über universelle Werte kaum möglich sein wird, „gerechte Konfliktlösungen“ – was immer das auch im Nahostkonflikt konkret bedeutet – zu finden. Auch der Kampf gegen Rassismus könnte ein solcher Orientierungspunkt sein. Allerdings: „Rehabilitiert werden soll ein Antirassismus, zu dessen Konsens es gehört, Menschen gerade nicht nach ethnischen Kriterien einzuteilen und sie nicht danach zu beurteilen, welche Sprecherposition sie einnehmen oder welche Hautfarbe sie haben“ (B. Holtschke).
Ein antirassistisches Engagement, das sich gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie wendet und dabei den Antisemitismus ausspart, kann meines Erachtens keine Glaubwürdigkeit für sich beanspruchen. Das laute Beschweigen des Überfalls der Hamas am 7.10. 2023 seitens so vieler Akteure im Spektrum des Antirassismus hat dies deutlich gemacht.
Von Georg Krämer, Welthaus Bielefeld (im November 2023)