Produkte wie die Arbeitsbekleidung für die Feuerwehr werden von der öffentlichen Hand, z.B. von Städten, Kommunen oder dem Land, durch Steuergelder eingekauft. Viele dieser Produktgruppen wurden unter der Begehung von Menschenrechtsverletzungen hergestellt. Eine faire öffentliche Beschaffung ist hier die Alternative.

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Produktbereiche

Fair einkaufen für würdige Arbeitsbedingungen

Hier ist ein Computerbildschirm zu sehen

Foto © Robin Eckert

Hier ist eine Parkbank aus Holz zu sehen

Foto © Robin Eckert

Hier ist ein Arbeitschuh zu sehen

Foto © Robin Eckert

 

Fußbälle für den Sportunterricht, Arbeitsbekleidung für die Feuerwehr, Spielzeuge für die KiTas, Computer für Bürgerbüros – dies ist nur eine kleine Auswahl an Produkten, die durch die öffentliche Hand, zum Beispiel von Stadtverwaltungen, eingekauft werden. Zudem haben diese Produktgruppen gemein, dass sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit unter menschenunwürdigen Bedingungen hergestellt wurden.

Da die Einkäufe der Kommunen durch Steuergelder finanziert werden, gibt es einen Rechtsrahmen, der vorschreibt, nach welchen Kriterien die Städte einkaufen bzw. Aufträge erteilen dürfen. In NRW regelt das sogenannte Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG) die Beschaffung.  Die öffentliche Hand darf dabei explizit Produkte nachfragen, die nach den Kriterien von unterschiedlichen sozialen, fairen oder ökologischen Siegeln oder Multistakeholderinitiativen hergestellt wurden.

Zwischen den Produktgruppen muss stark differenziert werden. Für einige Bereiche gibt es bereits verlässliche Siegel, die unabhängig kontrolliert werden und hinter denen eine transparente Lieferkette steckt. Für andere Produkte gibt es noch keine umfassenden Sozialsiegel. Kommunen können aber die Weiterentwicklung vorhandener Ansätze fördern.

Nachfolgend finden Sie einige wichtige Produktgruppen, die für den öffentlichen Einkauf relevant sind. Die aufgeführten Siegel und Initiativen stellen lediglich eine empfehlenswerte Auswahl dar und konzentrieren sich v.a. auf soziale Kriterien.

Arbeitskleidung und Textilien

Die globale Textilproduktion findet heutzutage fast ausschließlich außerhalb der EU in Niedriglohnländern statt. Dort wird nicht nur für internationale Modelabels produziert, sondern auch Schutzbekleidung oder andere Textilprodukte für Grünflächenämter, Verkehrsbetriebe, Krankenhäuser, usw. In den Fabriken sind Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitsschutzbestimmungen oft mangelhaft. Der Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza in Bangladesch mit 1.134 Toten fand 2013 internationales Medienecho. 2012 starben in Bangladesch beim Brand der Tazreen Fabrik 112 Menschen, weil Fenster vergittert waren und Notausgänge und Feuerlöscher fehlten. Trotz solcher Skandale wurden Baumängel vielerorts noch immer nicht beseitigt. Um Kosten zu sparen, werden erhebliche gesundheitliche Schädigungen der Arbeiter*innen in Kauf genommen. Trotz täglicher Schichten von bis zu 12-16 Stunden reichen die Dumpinglöhne von 35-60 Euro im Monat meist nicht zum Leben. Selbst staatlich festgesetzte Mindestlöhne in China oder Bangladesch liegen zwischen 19% und 50% unterhalb des Existenzminimums. Je niedriger die ökologischen Auflagen und die Arbeitsschutzbestimmungen sind, desto attraktiver ist ein solcher Standort für die meisten Unternehmen.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel und empfehlenswerter Initiativen und Kampagnen:

Link zum Siegel Global Organic Textile Standard (GOTS).

Link zum Siegel Fairtrade Certified Cotton.

Link zum Siegel Fairtrade Textilstandard und dem Textilprogramm.

Link zum Siegel IVN BEST.

Link zum Siegel Naturland.

Link zur Multistakeholder-Initiative Fair Wear Foundation.

Link zur Kampagne für Saubere Kleidung.

Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT)

Der IKT-Sektor entwickelt sich schnell und die Ausstattung muss auch im öffentlichen Dienst einem hohen Standard entsprechen. Die Arbeitsbedingungen in der Herstellung sind hingegen alles andere als zufriedenstellend. In kaum einem anderen Bereich trifft man auf derart komplexe Lieferketten mit verschachtelten Zuliefererstrukturen. Dies erschwert die Kontrolle von Arbeitsbedingungen erheblich. Die Herstellung beginnt mit der Gewinnung von Rohstoffen, wie wertvollen Mineralien. Diese werden in Minen geschürft. Kinder passen besonders gut in die engen Schächte. Auf den Schutz der Arbeiter*innen wird kaum Wert gelegt. Besonders problematisch sind sogenannte Konfliktmineralien wie Coltan, welches vorwiegend im Kongo durch Milizen abgebaut wird. Finanziert werden dadurch blutige Bürgerkriege. Ein Großteil der Montage erfolgt in chinesischen Fabriken. In den sogenannten Sweatshops gehören lange Schichten, geringe Entlohnung, fehlender Gesundheitsschutz und Verträge sowie Unterbringung in Massenunterkünften zum Alltag. Der Lebenszyklus von Computern, Druckern oder Mobiltelefonen endet mit der Entsorgung. Jedoch wird der Elektroschrott oftmals (illegal) in Länder wie Ghana exportiert. Auf Deponien schlachten Kinder und Jugendliche alte Geräte aus – eine Arbeit, bei der eigentlich mit höchster Vorsicht vorgegangen werden muss. Die gewonnenen Rohstoffe (Aluminium, Eisen, Kupfer u.a.) werden an Zwischenhändler verkauft und landen schließlich wieder in der Fabrikation neuer Geräte. So schließt sich der Rohstoffkreislauf.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel und empfehlenswerter Initiativen:

Link zur Übersichtsbroschüre "Konfliktrohstoffe in IT-Produkten" von WEED e.V.

Link zum Siegel TCO Certified.

Link zum Siegel EPEAT.

Link zum Siegel EU-Ecolabel.

Link zum Siegel Blauer Engel.

Link zur Monitoring-Organisation Electronics Watch.

Einen Leitfaden über die Möglichkeiten einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung von IT-Hardware von Rechtsanwalt André Siedenberg finden Sie hier.

 

Naturstein

Viele Natursteine stammen aus China und Indien, wo die Arbeitsbedingungen in Steinbrüchen oft miserabel sind: Trotz häufiger Unfälle fehlen Schutzbekleidung und medizinische Versorgung. Durch die niedrigen Löhne befinden sich ganze Familien in existenzbedrohender Armut oder Schuldknechtschaft. In beiden Ländern arbeiten in Steinbrüchen, in der Natursteinverarbeitung oder bei der Herstellung von Pflastersteinen in Heimarbeit schätzungsweise bis zu 15% Kinder unter 14 Jahren. Produziert wird für lokale Märkte oder den Export. Für Unternehmen sind Kinder billige Arbeitskräfte – dass durch die harte körperliche Arbeit dauerhafte gesundheitliche und psychische Schäden entstehen, nehmen die Firmen in Kauf. Dazu gehören Unfälle durch ungeplante Detonationen, Staublunge, Belastungen mit Silikat und Quarzstaub, Augenverletzungen durch Steinsplitter oder Verstümmelungen. Die durchschnittliche Lebenserwartung im Steinbruch beträgt gerade mal 40 Jahre.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel:

Link zum Siegel XertifiX.

Link zum Siegel Fair Stone.

Holzprodukte

Obwohl Holz ein unverzichtbarer Rohstoff ist, wird bei Ernte und Weiterverarbeitung häufig gegen internationale Arbeitsnormen verstoßen. So hantieren Arbeiter*innen ohne Schutzausrüstung mit Kettensägen. Der Abtransport der Stämme mit schwerem Gerät und der Bau von Straßen und Arbeitersiedlungen führen in Urwäldern zu weiterer Zerstörung. Auf lokale Gemeinschaften hat dies katastrophale Auswirkungen. Sie sind auf intakte Ökosysteme angewiesen, doch ihre Lebensräume werden zerstört. Mafiöse Strukturen, korrupte Regierungen und Gewaltverbrechen verletzen internationale Abkommen und besondere Schutzrechte dieser Gruppen. Oft werden sie ohne Entschädigung vertrieben und verelenden in Slum-Siedlungen. Tropenholz wird aufgrund seiner Qualitätsmerkmale gerne verarbeitet, doch der kommerzielle Einschlag in Südamerika, Südostasien und Zentralafrika ist nach Schätzungen von Umweltschutzorganisationen zu 50-90% illegal, was Kontrollen erschwert.

 Eine Auswahl verlässlicher Siegel:

Link zum Siegel FSC.

Link zum Siegel PEFC.

Link zum Siegel Blauer Engel. 

Spielzeug

Internationale Spielzeughersteller lassen mehr als 75% der weltweit gehandelten Spielsachen in Zuliefererfabriken Chinas produzieren. Sie finden sich auch in unseren KiTas und Schulen. Trotz bestehender Arbeitsgesetze und Mindestlöhne können Arbeiter*innen ihre Ansprüche kaum durchsetzen. In Produktionsspitzen müssen sie nicht selten 12-15 Stunden an 7 Tagen die Woche bis zur Erschöpfung arbeiten, wodurch ständig schwere Unfälle passieren. Vorarbeiter sorgen durch Prügel und Beschimpfungen für die Einhaltung der Akkordzahlen. Dafür tragen Auftraggeber Verantwortung: Niedrige Preise und enge Lieferfristen sorgen für zusätzlichen Druck. Der Weltverband der Spielzeugindustrie hat einen freiwilligen Verhaltenskodex (ICTI CARE-Prozess) entwickelt, welcher u.a. die Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeiten, Überstundenvergütung sowie Gesundheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen vorsieht. Ein erster Schritt, jedoch greifen die meist angekündigten Kontrollen nicht, wenn Arbeiter* innen lügen müssen, um ihren Job nicht zu verlieren.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel und empfehlenswerter Initiativen:

Link zum zum Projekt fair spielt.

Link zum Siegel FSC.

Link zum ICTI Kodex.

Naturkautschuk-Produkte

Ob Polizei-, Müll- oder Feuerwehrwagen, jedes Fahrzeug benötigt Gummireifen, welche aus Synthese- oder Naturkautschuk bestehen. Natürliches Latex wird zu 90% in Südostasien und ausschließlich in Handarbeit gewonnen, meist unter erbärmlichen Arbeits- und Umweltbedingungen. Marktführer ist Thailand, dessen Regierung sich jedoch weigert, einen Mindestlohn zu etablieren. So dreht sich die Armutsspirale: Vom Hungerlohn können Familien sich kaum ernähren, Schulkosten sind unbezahlbar, also müssen auch Kinder arbeiten. Auf Plantagen schuften auch viele Wanderarbeiter*innen, doch in Thailand ist es ihnen verboten, sich betrieblich zu organisieren. Sie leiden besonders unter Menschenhandel, Ausbeutung und sexuellem Missbrauch. Bis zu 70% des weltweit gewonnenen Naturkautschuks fließen in die Reifenherstellung. Bis heute weigern sich aber die großen Hersteller, Vor-Ort-Kontrollen zu ermöglichen und so für Transparenz in ihren Lieferketten zu sorgen.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel:

Link zum Siegel Fair Rubber.

Link zum Siegel FSC.

Lederprodukte

Berufsschuhe müssen besondere Sicherheitsstandards erfüllen, aber auch bequem sein und gut aussehen. Neben Textil- und High-Tech-Fasern kommt deshalb Naturleder zum Einsatz. Rund 85% aller Schuhe werden in Asien hergestellt. Die Lederherstellung findet als vorgelagerte Fertigungsstufe hauptsächlich in Bangladesch statt. Beim Gerben, der Verarbeitung von rohen Tierhäuten zu Leder, werden in 95% der Fälle Chemikalien wie Chrom III eingesetzt, um das Leder besonders weich, hitzebeständig und wasserabweisend zu machen. Bei fachmännischem Umgang und kontrollierter Entsorgung sind die gesundheitlichen und ökologischen Auswirkungen begrenzt. Chrom III kann sich jedoch bei unsachgemäßer Handhabung in das giftige Chrom VI umwandeln, welches schon in kleinen Mengen krebserregend ist und zu anderen Gesundheitsschäden führt. Arbeiter*innen waten im Gerbprozess mit nackten Füßen durch chemie-versetzte Becken und packen die Lederhäute mit bloßen Händen an. Sie bekommen keine Schulungen über den Umgang mit den Substanzen. Außerdem leiten viele Betriebe die giftigen Abwässer ungefiltert in die Flüsse. Darüber gelangen sie in die Böden, ins Trinkwasser und somit in die Nahrungskette. Umweltauflagen und Arbeitsschutzmaßnahmen fehlen oder werden nicht kontrolliert. Korruption zwischen staatlichen Einrichtungen und Fabrikbesitzern sowie der Preisdruck von Auftraggebern spielen dabei eine große Rolle.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel:

Link zum Siegel IVN Naturleder.

Link zum Siegel Blauer Engel.

Sportartikel

Ballsport in der Schule oder im Verein hält fit und gesund – dies gilt nicht für die Menschen, welche die Sportbälle zusammennähen. Vor allem in Pakistan, Indien, China und Thailand werden Fußbälle in Heimarbeit, in großen Fabriken oder Nähzentren hergestellt. In den Hinterhöfen, die sich jeglicher Kontrolle entziehen, nähen ganze Familien mit ihren Kindern für Sub-Sub-Zulieferer per Hand die Bälle zusammen, um genug Geld zum Überleben zu verdienen. Für einen Ball brauchen sie etwa zwei Stunden und hocken dabei gebückt auf dem blanken Boden. Die Arbeit hinterlässt bleibende Schäden an Wirbelsäule, Händen und Augen. Es geht nicht darum, dass Bälle und andere Sportartikel nicht mehr in diesen Ländern hergestellt werden, sondern um die Verbesserung von Arbeitsbedingungen, externe Kontrollen, Einhaltung von Arbeitsrechten, sowie die Aus-/ Fortbildung der Näher*innen, damit sie bei technischen Neuerungen in der Industrie (wie das Kleben statt Nähen von Bällen) weiterhin einen Job behalten.

Eine Auswahl verlässlicher Siegel:

Link zum Siegel Fairtrade.

Landwirtschaftliche Produkte (Lebensmittel, Blumen u.a.)

Kaffee, Kakao, Orangensaft, Tee und Lebensmittel wie Schokolade, Bananen und andere Früchte gehören zu der Gruppe der Agrarprodukte. Auch Blumen und Pfalnzen fallen in diese Kategorie. In den städtischen Verwaltungen werden diese Produkte meist in geringen Mengen und somit ohne Ausschreibungsverfahren eingekauft. Dennoch ist es wichtig, dass auch bei diesen Produkten auf Sozial- und Umweltstandards geachtet wird. Der Faire Handel bietet verlässliche Zertifizierungen. 

Kaffee wird vorwiegend von Kleinbauerfamilien angebaut. Die Preise für den Rohkaffee hängen vom Weltmarktpreis ab. Der Preis, der von den Kaffeehändler*innen an die Familien gezahlt wird, ist häufig so niedrig, dass dieser nicht einmal die Produktionskosten deckt. Durch fehlenden Zugang zu Informationen, besitzen die Kleinbauern jedoch nur geringe Verhandlungsmacht. 

Tee und Orangen werden vor allem auf Plantagen produziert. Dort sind die Arbeiter*innen oftmals ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Durch die niedrigeren Löhne für Kinder, kommt es auch zu Kinderarbeit. Durch die Verwendung von Pestiziden ist das Gesundheitsrisiko hoch.

Vor allem Schnittblumen werden zunehmend aus Ländern des globalen Südens importiert. Ähnlich wie bei den anderen Produkten, gehören Ausbeutung der Arbeiter*innen, der Einsatz von Pestiziden, aber auch sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz zu den Problemen. Der hohe Verbrauch an Wasser führt z.B. in Kolumbien zu einer Absenkung des Grundwassers. 

Link zum Themenbereich Fairer Handel beim Eine Welt Netz NRW

Einen detaillierten Überblick über die relevanten Produkte bei der fairen Beschaffung bietet auch der Kompass Nachhaltigkeit. In diesem Webportal bekommen Sie für Ihr gesuchtes Produkt die relevanten Siegel und Nachweise angezeigt und eine Liste von Händlern und Unternehmen, die faire Produkte in ihrem Sortiment haben.

Eine Welt Netz NRW @ 2024
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